Die westliche Schulmedizin und die westliche Ernährungslehre sind auf dem Boden der gleichen Wissenschaften gewachsen, nämlich auf dem äusserst fruchtbaren der modernen Naturwissenschaften, wie sie von Denkern wie Newton, Descartes etc. begründet wurden.
Mathematik, Physik, Chemie, Biologie beruhen teilweise bis heute noch auf deren Ansichten. In manchen Teilen sind sie zwar unnütz und mussten durch andere Denkansätze ersetzt werden, etwa, wenn es darum ging, die Kernkraft zu nutzen, oder einen Quantencomputer zu bauen, aber im Grossen und Ganzen sind sie doch noch ganz passabel brauchbar.
Prof. Manfred Porkert hat die «alten» Wissenschaften als kausal-analytisch bezeichnet und wollte damit ausdrücken, dass sie zum Beispiel im Bereich der Chemie bestrebt sind, die kleinsten Teilchen zu suchen, die die Wirkung eines Ganzen verursachen. Man entdeckte somit Atome und Moleküle und die moderne Biologie und Medizin machte sich daran, die Natur in solche auseinander zu dividieren, sie zu sortieren, gemäss Grösse, Verwandschaft und Funktion. Sie nahm sich beispielsweise die Lebensmittel vor und fragmentierte diese und sie fand zur Hauptsache Stoffe, die sie als Zucker bezeichnete, daneben Fette und Proteine (Eiweisse). Schliesslich fand sie noch Spuren anderer Stoffe, die nicht in diese drei schwergewichtigen Kategorien fielen und bezeichnete sie eben als Spurenelemente und einige Substanzen nannte sie Vitamine, denn es zeigte sich, dass diese zum Leben (Vita) notwendig waren, obwohl sie mengenmässig nur einen sehr kleinen Anteil am Ganzen hatten.
Diese einfache Sicht der Welt ist ausserordentlich praktisch! Man kann nun nämlich daran gehen, aus diesen paar ganz wenigen Bausteinen das zu bauen, was die Natur braucht. Man kann zum Beispiel eine Nährlösung aus einfachsten Bausteinen herstellen und ohne Umwege eine Menge Nahrungsmittel produzieren, rationell und billig, zum Beispiel hors sol-Tomaten oder Batteriehühner. Man kann auch Menschen nach dieser Formel füttern und sie damit monatelang im All herumkreisen lassen. Es hat riesige Vorteile!
Wer in diesen einfachen Kategorien denkt, wird Mühe haben zu verstehen, warum es noch Leute gibt, die nicht einfach nur einen Mixdrink einnehmen, der alle Bausteine enthält und warum man statt einer Vitamin C-Brausetablette noch Zitronen oder andere Vitamin C enthaltende Früchte, Beeren oder Gemüse isst.
Leider wird solches Gedankengut noch reichlich propagiert, denn es winken Milliardengewinne für Hersteller von einem Grossteil unserer Nahrungsmittel. Zum Glück haben aber doch immer grössere Kreise von Wissenschaftlern ihren Horizont erweitert und anerkennen, dass wir noch von sehr Vielem sehr wenig wissen. So weiss man beispielsweise, dass eine einzelne Pflanze eine Fabrik ist, in der nicht nur ein Hauptinhaltsstoff (mitunter Hauptwirkstoff) steckt und daneben noch einige in minderer Menge vertretene Stoffe vorhanden sind, sondern dass es sich um Tausende von Stoffen handelt und wir von den meisten aufgrund der Tatsache, dass unsere Messgeräte sie wegen ihrer geringen Menge gar nicht zu erfassen vermögen oder wir gar nicht damit rechnen, sie vorzufinden, ergo auch gar nicht auf die Idee kommen, nach ihnen zu suchen, noch gar keine Ahnung punkto Identität und schon gar nicht bezüglich Funktion haben.
Es soll einmal ein Experiment durchgeführt worden sein, bei dem Forscher einen ganzen Eisenbahnwagen voll Kopfsalat extrahierten und schauten, was zu finden war. Die Absicht war klar: Durch die schiere Menge an Kopfsalat sollte es möglich sein, mittels der Messinstrumente endlich eine Menge an Inhaltsstoffen in genügender Menge vorzufinden, die nun auch nachweisbar waren. Und die Forscher fanden Überraschendes, nämlich Tausende von Naturstoffen, die sie nicht erwartet hätten. Sie fanden nachgerade eigentlich alles, was bekannt war. Man stelle sich das vor: Selbst im Kopfsalat finden sich ein paar Moleküle Atropin, das wir sonst in der Tollkirsche suchen.
Doch zurück zum Hors-sol-Experiment: Auch Hors-sol-Tomaten produzieren viele tausend Stoffe, sogar dann, wenn ihnen nur eine Nährlösung zugeführt wird. Trotzdem lassen sich Unterschiede in der Zusammensetzung und in der Menge der einzelnen Stoffe finden. Einige sind augenfällig, bzw. leicht zu schmecken: Hors-sol-Tomaten schmecken nach nichts. Nüsslisalat aus dem Plastiktunnel hat nicht den kräftigen Geschmack, den die Pflanze entwickelt, wenn sie auf freiem Feld einen ganzen Winter überdauert hat und im Frühling geerntet wird. Es wird also niemand bestreiten wollen, dass da diesbezüglich qualitative Unterschiede bestehen. Dass ein guter Wein zustande kommt, dafür müssen viele Faktoren stimmen: Die Traubensorte, der Standort, der Boden, die Sonneneinstrahlung, der Erntezeitpunkt, die Verarbeitung, die Lagerung etc. Niemandem käme es in den Sinn, Traubenextrakt mit ein bisschen Alkohol zu mischen.
Der im Herbst 2009 emeritierte Professor für Pharmakognosie und Phytochemie Dr. Kurt Hostettmann von der Universität Genf, der sich mit den Inhaltsstoffen von Pflanzen auseinandergesetzt hat, sagte im Herbst 2009 in einem Interview, dass erst etwa 10% der auf der Welt existierenden 350'000 Pflanzenarten etwas vertieft studiert wurden und dass jede Pflanze mehrere tausend verschiedener Moleküle enthalte und dass wir bis jetzt eigentlich noch fast gar nichts gefunden hätten.
Selbstverständlich gibt es sinnvollere Quellen für Vitamin C als Goji-Beeren (Fructus Lycii – Gou Qi Zi). Aus ökologischer Sicht sollte man hiesige Früchte und Gemüse kaufen. Und auch wenn jetzt Fructus Lycii von einigen cleveren Geschäftsleuten lediglich als Vitamin C-Spender vermarktet werden sollte, so steckt doch mehr in der Frucht als nur dieser Stoff. Man darf sie also kaufen, denn wir kaufen noch Vieles anderes, was von weit her kommt: Ganze Autos aus Japan, Computer aus China, Öl, Benzin und Gas aus der ganzen Welt, Kleider aus Stoffen, die in fernen Ländern zusammengenäht wurden, aus Materialien, die ebenfalls um die halbe Welt reisten. Oder käme es jemandem in den Sinn, auf das Tragen von Baumwolle zu verzichten?
Jedes Produkt, das wir konsumieren, birgt eine bestimmte Problematik. Wird Fructus Lycii wild gesammelt und werden dadurch die Bestände gefährdet oder kommt es aus Anbau und ist es keine Pflanze, die vom Aussterben bedroht ist? Geht der Anbau nicht auf Kosten von andern Schäden (Wasserverbrauch, Monokulturen, Pestizide). Kommt die lokale Bevölkerung am Produktionsort unter Druck, wenn der Westen plötzlich auf Goji-Beeren abfährt? Können sich die Leute vor Ort dann die Frucht noch leisten? Müssen sie sich mit der minderen Qualität begnügen, weil der Westen die gute kauft? Geschieht der Handel sozial verträglich?
Fructus Lycii ist nicht als Problemfall bekannt. Das kann man zugegebenermassen nicht von allen chinesischen Kräutern sagen, doch wird daran gearbeitet, die Situation ständig zu verbessern.
Fructus Lycii enthält Alkaloide, Carotinoide, Coumarine, organische
Säuren (worunter Vitamin C), Aminosäuren, und Tausende anderer Stoffe
aus vielen Substanzklassen. Eine fleissige Person schrieb uns vor Jahren
einige der wichtigsten Stoffe von jeder chinesischen Pflanze in eine
Datei. Hier ihr (unkorrigierter) Eintrag zu Fructus Lycii:
atropine, hyoscyamine, zeaxanthin, physalien, cryptoxanthin, scopoletin, asparitc acid, proline, alanine, leucine, phenylalanine, serine, glycine, glutamic acid, cysteine, lysine, arginine, isoleucine, threonine, histidine, tyrosine, tryptophan, methionine, betaine, valine, glutamine, asparagine, safranal, beta-ionone, 3-hydroxy-beta-ionone, 1,2-dehydro-alpha-cyperene, solavetivone, carotene, thiamine, riboflavine, nicotinic acid, vitamin C, cholesterol, cholest-7-enol, campesterol, 24-methylenecholesterol, 28-isofucosterol, stigmasterol, beta-sitosterol, 24-methylcholesta-5,24-dienol, 24-ethylcholesta-5,24-dienol, cholestanol, 24-methylcholestanol, 24-ethylcholestanol, 24-ethylcholest-22-enol, 31-norcycloartanol, 31-norcycloartenol, cycloeucalenol, 31-norlanost-8-enol, 31-norlanosterol, obtusifoliol, 4alpha,14alpha,24-trimethylcholesta-8,24-dienol, 24-methyl-31-norlanost-9(11)-enol, 4alpha-methylcholest-8-enol, 4-methylcholest-7-enol, 24-ethyl lophenol, 24-methyllophenol, gramisterol, citrostadienol, 4alpha,24-dimethylcholesta-7,24-dienol, 4alpha-methyl-24-ethylcholesta-7,24-dienol, lanost-8-enol, cycloartanol, cycloartenol, lanosterol, beta-amyrin, lupeol, 24-methylenelanost-8-enol, 24-methylenecycloartanol, taurine, gamma-aminobutanoic acid
Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass Fructus Lycii Substanzen aus Stoffklassen enthält, die uns wohlbekannt sind und die uns entweder erfreuen oder stutzig machen: Vitamin C ist nur einer dieser Stoffe. In geringen Mengen enthält Frucuts Lycii, die ja zur Familie der Nachtschattengewächse gehört, die für diese typischen Alkaloide Atropin und Hyoscyamin. Auch Taurin findet man auf der Liste der Inhaltsstoffe von Fructus Lycii. Welche Menge dieser Beeren man einnehmen müsste, um auf den Gehalt einer Dose Red Bull zu kommen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Der Nutzen von Fructus Lycii lässt sich schwerlich an den Inhaltsstoffen ablesen. Dagegen vermag die TCM dank ihres völlig anderen erkenntnistheoretischen Hintergrunds die Frucht viel umfassender zu qualifizieren:
Fructus Lycii wird den Funktionskreisen Leber, Lunge und Niere zugeordnet und sie äufnet das Yin von Niere, Lunge und das Xue (Blut) der Leber und nebenbei hat sie noch einen milden Nieren-Yang tonisierenden Effekt. Mit diesen wenigen Worten ist eine Qualifikation gegeben, die, wollte man sie des Langen und Breiten erklären, ganze Bücher füllen würde. Fachleute der TCM vermögen die Begriffe viel zu erzählen. Laien mögen sich merken, dass Fructus Lycii allein oder in Kombination mit andern chinesischen Pflanzen angewandt wird, wenn es um die Behandlung von Symptomenkomplexen, sog. Mustern (pattern) geht, die sich in folgenden Symptomen zeigen:
Rückenschmerzen, Impotenz, Durst, Flankenschmerzen, Mundtrockenheit, bitterer Mundgeschmack, saures Aufstossen, Schwitzen tags oder nachts, Sehstörungen, Schlaflosigkeit, Schwindel, Tinnitus, Kopfschmerzen, Husten.
Kann man das alles auch mit Vitamin C behandeln? Gemäss Linus Pauling wahrscheinlich schon …
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