Gedanken zur Osterzeit


12.04.2023
Severin Bühlmann

Tausendjähriges Ei

Kaum Energie, wenig Motivation, gedrückte Stimmung, schlechte Konzentration, ohne Freude! – TCM verbessert Stimmung, Konzentration sowie Antrieb und kann helfen, im Alltag wieder zurechtzukommen.

– Fachinformation www.swissmedicinfo.ch

Im obigen Text habe ich lediglich den Namen eines zugelassenen Medikamentes durch «TCM» ersetzt. Der Text ist auf der Titelseite der Schweizerischen Ärztezeitung Ausgabe 14/15 2023 wörtlich so zu lesen.

Interessant finde ich am Originaltext, dass das Medikament von Swissmedic zugelassen wurde, ohne dass eine Wirkung garantiert ist, denn es steht ja nur «kann», was gleichbedeutend ist mit «muss nicht zwingend».

Auch TCM kann, muss aber nicht zwingend. Auch TCM kann einen Krebs im fortgeschrittenen Stadium nicht heilen. Doch Moment mal: ich hatte einen Patienten um die 65 Jahre mit einem Bronchialkarzinom im fortgeschrittenen Stadium. Das Spital hatte ihn aufgegeben, ihn nach einer langen und zehrenden Therapie nach Hause geschickt und ihm noch wenige Wochen Lebenszeit prophezeit. Er kam zu mir und ich gab ihm eine TCM-Kräutermischung. Er nahm sie über rund drei Jahre regelmässig. Irgendwann war er die Kräutermischung über. Das Zeug schmeckte grauenhaft und er setzte es ab. Nach wenigen Monaten verstarb er. Wunder geschehen. Manchmal.

TCM kann viel und oft Erstaunliches. Eine treffsichere Diagnose steht am Anfang. Sie ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Therapie. Gut ausgebildete TCM-Fachpersonen mit ausreichend klinischer Erfahrung braucht’s dazu. Krankenkassen und der Staat könnten viel Geld sparen, würden sie mehr in die Ausbildung von kompetentem komplementärmedizinischem Fachpersonal investieren.

So. Ich geniesse die freien Ostertage und war frühmorgens auf einem Waldspaziergang. Das obige Thema ging mir dabei durch den Kopf und ich nahm mir vor, es zu Papier zu bringen. So geschehen.

Jetzt gibt der Wald viel her: Ich sammle Bärlauch, Brennnesseln, Baumtropfen (Giersch), Scharbockskraut, Knoblauchhederich, Waldspinat, Pimpernelle (Sanguisorba officinalis = Di Yu), finde sogar ein paar Morcheln.

Brennnessel

Brennnessel

Knoblauchhederich

Knoblauchhederich

Scharbockskraut

Scharbockskraut

Phyteuma spicatum (Ährige Teufelskralle, Waldspinat)

Phyteuma spicatum (Ährige Teufelskralle, Waldspinat)

Unsere einheimische Ährige Teufelskralle ist nicht verwandt mit der afrikanischen Teufelskralle, welche in manchen phytotherapeutischen Rheumamitteln verwendet wird. Letztere heisst Harpagophytum procumbens und gehört in eine ganz andere Pflanzenfamilie.

Sanguisorba (Di Yu) = grosser Wiesenknopf, Pimpernelle

Sanguisorba (Di Yu) = grosser Wiesenknopf, Pimpernelle

Die erste Pflanze, die vor allen andern im Frühling erwacht, ist diese:

Das ist Aronstab (Arum)

Das ist Aronstab (Arum)

Aronstab gehört zur Familie der Araceen, also zu den Aronstabgewächsen, zu der auch die in der TCM bekannten Pflanzen Pinellia (Ban Xia), Typhonium (Bai Fu Zi), Arisaema (Tian Nan Xing) gehören, allesamt ziemlich oder sehr giftige Pflanzen, so sie unbearbeitet konsumiert würden.

Auch die Wurzelknolle Taro (Colocasia esculenta), die in Asialäden erhältlich ist, gehört zu den Araceen. Auch Taro ist ungekocht giftig. Erstaunlich, dass unsere Behörden diese zulassen, dagegen Ju Hua (Chrysenthemenblüten) verbieten!

Als ich nach meinem Staatsexamen in einer Höhenklinik Assistenzarzt für Pneumologie war, wollte ein Bauer die ihm verordneten Medikamente nicht einnehmen. Er schwor auf seinen eigenen Aronenschnaps. Der putze die Bronchien besser.

Wer die Giftigkeit von Aronstab kennenlernen will, möge ein paar Quadratmillimeter eines frischen Blattes eine Weile kauen. Es wird sich ein interessantes Empfinden einstellen.

Ich liebe Aronenblätter, hole mir jeden Frühling eine Portion und koche mir ein feines Gericht:

Bitte nicht nachmachen. Es wäre mir nicht recht, würde jemand deswegen auf dem Notfall landen!

Bitte nicht nachmachen. Es wäre mir nicht recht, würde jemand deswegen auf dem Notfall landen!

Wenden wir uns harmloseren Pflanzen zu:

Im Garten vor dem Haus sind die Frühlingszwiebeln, die ich im Herbst pflanzte, zum Verzehr bereit. Der Nüsslisalat, den ich jeweils blühen und versamen lasse, bildet einen breiten grünen Teppich. Das Aroma, das diese kleinen Pflänzchen über den Winter entwickeln, ist unglaublich. Nüsslisalat aus dem Tunnel, wie ihn der Handel anbietet, kommt niemals an dieses an. Den Palmkohl von letztem Jahr lass ich aufstängeln und ernte jetzt die Triebe wie chinesischen Broccoli oder Cime di Rapa. Der Lauch ist armdick geworden. Schnittmangold, Peterli, Rucola und Artischocken haben den milden Winter auch überstanden und treiben wieder.

Palmkohl

Palmkohl im zweiten Jahr

Lauch

Lauch

Petersilie

Peterli

Rucola

Rucola

Nüsslisalat

Nüsslisalat

Den Gojibeerenstrauch hacke ich aus. Die Wurzeln sind zäh, treiben in alle Richtungen viele Meter aus und aus diesen sprossen wieder neue Triebe, die direkt in anderen Büschen hochschiessen, in Stachelbeeren, in Blaubeeren. Ein unansehnliches Gebüsch, dieser Goji! Zudem krank. Die Blätter, die wir jeweils wie Spinat kochten, sind von einer asiatischen Gallmilbe befallen. Und der Strauch hat lästige Dornen, die Früchte sind klein. Vielleicht habe ich die falsche Sorte erwischt. Weg mit diesem Zeug! In den Häcksler, dann gibt es wenigstens neuen Kompost.

Ostereier habe ich keine gefunden, aber zum Frühstück gibt es bei uns manchmal, wie Kantonesen ihn bezeichnen, «Tschuck», auf Mandarin Shi Fan genannt, auf Englisch Congee, also den traditionellen faden Reisbrei, der stundenlang gekocht wurde. Und weil eben gerade Ostern ist: weniger fad ist der «Tschuck» mit einem Tausendjahrei, aber für unsere Geschmacksknospen ziemlich gewöhnungsbedürftig. Vielleicht ein bisschen Frühlingszwiebeln noch dazu, Schnittlauch und Ingwer. Tausendjahreier sind auf eine spezielle Art fermentierte Enteneier, salzig, gallertig und irgendwie leicht scharf – ich vermag es nicht recht zu beschreiben. Nach dem zehnten Anlauf beginnt man sie zu mögen - vielleicht. So konserviert, können diese Art Eier jahrelang aufbewahrt werden.

Tausendjaehriges ei

Schöne Ostergrüsse, ebenfalls aus dem Garten:

Osterglocken

Severin Bühlmann, Ostern 2023