Ein Rundgang mit der Botanikerin Melanie Kleineberg durch den Botanischen Garten Zürich am 5. Oktober 2023
Nein, die roten Kügeli in dieser Gewürzmischung, die uns Frau Kleineberg am Anfang der Führung zeigte, sind kein Pfeffer! Das erklärte sie uns.
Und zwei Tage später schrieb der Foodscout Samuel Herzog zum gleichen Thema in seiner samstäglichen Rubrik in der NZZ. Und Susanne Vögeli lieferte dazu ein Rezept. Rosenpfeffer stammt nicht von den Pfeffergewächsen (Piperaceae) ab, sondern von einer ganz anderen Pflanzenfamilie, nämlich den Sumachgewächsen. Und weisser Pfeffer ist nichts anderes als geschälter schwarzer Pfeffer und schwarzer Pfeffer ist nichts anderes als getrockneter grüner Pfeffer.
Wir wurden im Botanischen Garten von Frau Kleineberg mit einem Zaubertrank auf Basis der Blauen Schmetterlingserbse (Clitoria ternatea) begrüsst. Die Blüte und weitere Bestandteile dieser Pflanze werden vornehmlich in der Ayurveda- und in der Volksmedizin Südostasiens benutzt. Ich habe die letzte Blüte fotografieren können, leider war sie schon ein bisschen hinüber, sodass das Bild die Namensgebung nicht mehr perfekt widerspiegelt.
Die Zitrusfamilie war das nächste Thema: Mandarinen, Grapefruits, Pomeranzen, Bitterorangen, Pomelo, Zitronen, Clementinen, Kumquats, Fingerzitrus…, komplexe Verwandtschaften, Züchtungen, Vorwärts- und Rückwärts-Kreuzungen. Man ist verwirrt: Was stand am Anfang und was wurde alles daraus.
Der Lotus war schon daran, sich auf den Winter hin zurückzuziehen, aber die trockenen Samenstände waren noch sichtbar und an den Blättern wurde uns noch demonstriert, wie Wasser dank der Oberflächenstruktur abperlt. Sieben Teile der Pflanze werden als Lebensmittel oder Medizin konsumiert: Blätter, Stengel, Rhizom, Internodien der Rhizome, Früchte, Samenstände, Keimling.
Beeindruckend schön waren die Teller einer anderen Seerose: Victoria amazonica, die, der Name sagt es, aus Südamerika stammt.
Im Hintergrund links oben im obigen Bild sehen wir Wasserspinat (Ipomea aquatica), also ein Gewächs aus der Familie der Windengewächse. Den kriegen Sie in jedem Asialaden. Die Stengel sind hohl, Kantonesisch heisst das Gemüse Tung Choi = Lochgemüse. Es gibt zwei Varianten, die eine wächst tatsächlich im Wasser, die andere auch an Land
Ebenfalls im Wasser fanden wir Wasabi (Eutrema japonicum). Den in meinem Garten haben die Schnecken gefressen. Sie waren völlig wild auf dieses Kraut. Doch diesen Frühling fand ich auf dem Kiesweg in meinem Garten einen Wasabi, jedenfalls glaubte ich einen solchen gefunden zu haben. Die Blätter sahen gemäss meinem Empfinden exakt so aus. Ich konnte das wirklich kaum glauben, riss ihn aus und nagte an der Wurzel. Sie war tatsächlich scharf wie Meerrettich oder eben Wasabi. Den Irrtum merkte ich später, als gleiche Pflanzen in der Umgebung des Fundortes mehr und mehr aufschossen: es handelte sich um Knoblauchhederich/Knoblauchsrauke. Schon interessant, welche Überraschungen die Natur immer wieder bereithält. Die Schärfe der Wurzel ist in den Blättern kaum vorhanden, in den Samen aber schon
Unser Blick schweifte immer wieder ab von den typischen Pflanzen der TCM zu anderen wunderschönen Blüten, etwa zu dieser Bromelienart: Aufgepasst! Die lila Teile sind nicht die Blüte, sondern nur die Scheinblüte oder Hochblätter. Die eigentlichen Blüten sind die bläulich schimmernden Teile. Das Gebilde war gegen 70 cm lang.
In einem Beet waren einige Pflanzen der TCM versammelt:
Gynostemma (Jiao Gu Lan), Curcuma und andere Ingwergewächse, Süssholz (Gan Cao), Artemisia annua (Qing Hao), Schisandra (Wu Wei Zi) und einige mehr.
Gynostemma, neuerdings als Frauenginseng bekannt, erlebt gerade einen Hype. Jede Gärtnerei verkauft es. Unsterblichkeitskraut wird es auch genannt. Da die Pflanze sich über den Winter einzieht, durften wir die Blätter abzupfen und schmecken. Süsslich wie Stevia und auch ein bisschen ginsengartig, obwohl aus der Kürbisfamilie. Frost bis minus 10-15° macht ihm nichts aus, im Frühling rankt es wieder wie wild.
Süssholz ist in fast jedem zweiten TCM-Arzneimittelrezept. Dass man sich bei übermässigem Genuss gesundheitliche Probleme einhandeln kann, basierend auf einem Elektrolytproblem der Nebenniere mit dem Zungenbrechernamen Pseudohyperaldosteronismus, der eine Bluthochdruckkrise bewirken kann (was jetzt?: der Mechanismus oder der Zungenbrechername?).
Mein Süssholz machte fast schlapp, aber jetzt spriesst es wieder zaghaft. Gekauft habe ich es bei Bottis Kräutergärtnerei in Stetten, wo man Hunderte von exotischen Setzlingen, somit auch viele Pflanzen der TCM, kaufen kann.
Für die Forschung an Artemisia annua zur Behandlung von Malaria erhielt die Chinesin Tu Youyou 2015 den Nobelpreis für Medizin.
Qing Dai – Indigo wird aus verschiedenen Pflanzen gewonnen, die chinesische Pharmakopöe erlaubt Baphicacanthus cusia, Polygonum tinctorium und Isatis indigotica als Quelle, Bensky nennt auch Indigofera tinctoria.
Wird nicht nur als Badeschwamm genutzt, sondern in der TCM als hitzeklärende Medizin.
Ein in der TCM-Dermatologie sehr nützliches Kraut, aber leider bei uns wegen des Gehaltes an Pyrrolizidinalkaloiden (PA) kaum einsetzbar, da die Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Namhafte Wissenschaftler zweifeln an der derzeitigen Klassierung der verschiedenen PA bezüglich ihrer Toxizität und arbeiten daran, diese und weitere PA enthaltende Kräuter zu rehabilitieren, doch was sich einmal in behördlichen Verordnungen festgesetzt hat, ist schwer rückgängig zu machen. Ich werde bei Gelegenheit darüber berichten.
Ziziphus jujubae – den Strauch mit den chinesischen Datteln habe ich nicht fotografiert, denn die Früchte waren winzig und wenig repräsentativ. Aber am nächsten Tag erhielt ich die oben gezeigten Früchte von einem Chinesen, der in seinem Garten hinter seinem chinesischen Restaurant in Tübach am Bodensee einen Strauch gezogen hat.
Wachskürbisse = Wintermelonen (Dong Gua) hat er auch riesige, von denen die TCM die Kerne Dong Gua Zi (Benincasae Semen) und die Haut Dong Gua Pi (Benincasae Exocarpium) benützt.
Auch Bittermelonen = Bittergurken (Ku Gua) zieht er erfolgreich. Aber das macht auch der Ehemann einer unserer Botanikerinnen bei Phytax, von dem ich jeden Frühling Setzlinge erhalte. Kann man diese extrem bitteren Gurken denn überhaupt essen? Kochen – gewusst wie sind sie eine Delikatesse. Die letzte dieses Jahres gab es gestern (16.10.2023) bei uns zum Nachtessen. Jetzt dauert es fast wieder ein Jahr, bis es neue gibt, ausser Sie kaufen sie im Asialaden.
Im Wüstenhaus fanden wir Weihrauch (Ru Xiang, Boswellia/Olibanum) den kürzlich Phytax www.phytax.ch untersuchte und herausfand, dass viele kommerziell angebotene Produkte botanisch nicht dem entsprachen, was ausgelobt wurde. Davon später mal in einem separaten Newsletter.
Wir gehen wieder mal hin, vielleicht zu einer anderen Jahreszeit. Kommt doch mit!
Herbstliche Grüsse!
Severin Bühlmann
Herbst 2023
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